SILATEC-INNOVATIONEN –
EIN GEMEINSCHAFTS­­PROJEKT MIT PROF. DR. THORSTEN WEIMAR

UNIV.-PROF. DR.-ING. THORSTEN WEIMAR ÜBER „SILATEC-INNOVATIONEN“

Alles begann mit gegenseitiger Begeisterung. Prof. Dr. Thorsten Weimar von der Universität Siegen begeisterte sich dafür, dass SILATEC seine Forschung und Innovation auf wissenschaftliche Basis stellen wollte. SILATEC wiederum begeisterte sich dafür, dass ein Wissenschaftler sich für die Entwicklung des Unternehmens interessierte und diese mit seiner Forschung vorantreiben wollte. Schnell war klar, dass Prof. Dr. Thorsten Weimar mit SILATEC ein gemeinsames Forschungsprojekt initiiert, um Sicherheitsglas ständig weiter zu verbessern und wissenschaftliche Grundlagen aufzubauen, um teilweise bahnbrechende Innovationen zu ermöglichen.

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DAS INTERVIEW ZUM PROJEKT „SILATEC-INNOVATIONEN“

PROFESSOR WEIMAR: „Ich erinnere mich, das war vor über 20 Jahren, da rief ich bei SILATEC an und wurde sofort zu Christoph Hahn durchgestellt. SILATEC produzierte damals bereits Sicherheitsglas mit Polycarbonat im Kern und ich wollte gerne eine wissenschaftliche Studie über die Eigenschaften der einzelnen Materialen durchführen. SILATEC entwickelte das Sicherheitsglas zu der Zeit schon sehr seriös, allerdings eher auf empirischer Basis. Mit Christoph habe ich dann ein erstes gemeinsames Forschungsprojekt aufgesetzt, um die wissenschaftliche Basis für das Verständnis zu schaffen, wie das Sicherheitsglas von SILATEC im Aufbau funktioniert. Die gemeinsamen Forschungsprojekte dauern bis heute an, mit immer wieder neuen Schwerpunkten und wichtigen Ergebnissen.“

SILATEC: „Was waren denn Ihre Highlights aus der bisherigen Zusammenarbeit mit SILATEC?“

PROFESSOR WEIMAR: „Eins davon war sicherlich, dass wir mit SILATEC gemeinsam den dünnsten Aufbau für ein Sicherheitsglas in der höchsten Widerstandsklasse für einbruchhemmende Verglasungen entwickelten. Eine bedeutende Innovation mit Dünnglas. Grundsätzlich gibt es immer wieder erfreuliche Ergebnisse, die wir aus unseren gemeinsamen Forschungsprojekten rausziehen; wie beispielsweise die erste und einzige Zulassung für einen Glas-Polycarbonat-Verbund als Verbundsicherheitsglas. Ich war ja von Anfang an von dem Produkt begeistert, wie SILATEC das Glas mit dem Polycarbonat verbindet, und dass das dann auch noch funktioniert. Vor allem hat mich gefreut, dass SILATEC als mittelständisches Industrie-Unternehmen gleich so offen war für wissenschafts-basierte Forschung und Entwicklung. Und ich denke, Christoph war umgekehrt begeistert, dass ich das wissenschaftlich untersuchen wollte.“

SILATEC: „Was ist für Sie die Besonderheit von SILATEC Glas?“

PROFESSOR WEIMAR: „Das Geheimnis von SILATEC liegt der Zwischenschicht zwischen Glas und Polycarbonat. Dafür ist ein komplexer Haftverbund erforderlich. Denn die thermische Ausdehnung von Glas und Polycarbonat unterscheidet sich ungefähr um Faktor 7. Der flächige Klebstoff, der dies ermöglicht, ist eine Eigenentwicklung von SILATEC. Bei unserem ersten Forschungsprojekt habe ich deshalb die einzelnen Materialschichten untersucht und dabei geschaut: wie reagiert der Verbund bei unterschiedlichen Lasten, wie zum Beispiel unter Wind oder Schnee. Die verschiedenen Schichten verhalten sich dann natürlich sehr unterschiedlich. Neben dem Tragverhalten hat mich auch das sogenannte Resttragverhalten interessiert, also nach dem das Glas zerstört ist.

SILATEC: Wie unterscheiden sich denn Glas und Polycarbonat in ihren wesentlichen Eigenschaften?

PROFESSOR WEIMAR: „Glas ist im Unterschied zu anderen Baumaterialien sehr spröde, und diese Sprödigkeit hat im Bauwesen große Nachteile wegen der fehlenden Redundanz. Also bietet das Glas auch die erforderliche Robustheit. Allerdings ist es auch rund 28mal steifer als Polycarbonat und dient daher im Verbund vor allem der Lastabtragung. Das Polycarbonat dagegen ist unglaublich schlagzäh, unter normalen Bedingungen wird es nicht brechen, bietet deshalb eine große Sicherheit, etwa für die Einbruchhemmung oder die Beschusshemmung.“

SILATEC: Herr Professor, Sie haben ja einen eigenen Lehrstuhl für Tragkonstruktion an der Universität Siegen. Wo sehen Sie die Vorteile von modernem Sicherheitsglas in der modernen Architektur?

PROFESSOR WEIMAR: „In der modernen Architektur ist so ein Glas-Polycarbonat-Verbund eindeutig im Vorteil, da er wesentlich leichter und auch wesentlich dünner als vergleichbare Glas-Verbunde ist. So ein Sicherheitsglas muss man am Ende ja auch in den Rahmen reinbekommen, das funktioniert bei gewöhnlichem Panzerglas nur schwierig, weil es dicker und schwerer ist.
Und diese Architektur ist geprägt vom fließenden Übergang zwischen außen und innen über großformatige Verglasungen, die mittlerweile auch mit Sicherheitsglas möglich sind. Es gibt eigentlich keine Einschränkungen mehr bei erhöhten Sicherheitsanforderungen, ob das jetzt die Einbruchhemmung oder die Beschusshemmung betrifft. Außerdem sind mit dem SiLATEC Sicherheitsglas auch Dreischeiben-Isoliergläser möglich, die dann noch energetische Vorteile für den Wärmeschutz bieten. Bei konventionellem Sicherheitsglas ist da irgendwann eine physische Grenze erreicht.“

Vergleich Panzerglas und Silatec Glas

Sichtbare innovation: links Panzerglas, rechts Silatec-Glas
© Stefan Unnewehr

SILATEC: Wo sehen Sie die nächsten Innovationsschritte?

PROFESSOR WEIMAR: „Wir forschen aktuell an noch schlankeren Konstruktionen bei der einbruchhemmenden Verglasung, die gleichzeitig sehr guten Wärmeschutz liefert. Dafür verändern wir wesentliche Aspekte im Schichtaufbau und wir forschen auch an Alternativen für das extrem robuste Polycarbonat, auf das wir dann wahrscheinlich komplett verzichten können. Dazu nutzen wir Dünnglas mit einer Dicke von 2 Millimeter und weniger oder Vakuum-Isolierglas. Hier wird es dann extrem leicht und dünn bei vergleichbaren Leistungswerten. Dünnglas ist übrigens so dünn, das es auf Rollen transportiert werden kann.“

SILATEC: Zu welchem Glas würden Sie Bauherren raten?

PROFESSOR WEIMAR: „Das kommt natürlich auf die Anwendung und die Anforderung an. Bei „normalen“ Fenstern ohne größere Sicherheitsanforderungen würde ich auf guten Wärmeschutz und eine ausreichende Transparenz achten, das leistet ein Dreischeiben-Isolierglas. Bei hohen Sicherheitsanforderungen ist SILATEC sicherlich eine gute Wahl.“

SILATEC: Herr Professor, vielen Dank für dieses Gespräch.

KURZFASSUNG

Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln werden hauptsächlich als Sicherheitssonderverglasung eingesetzt. Durch die Kombination der beiden Materialien lassen sich die angriffhemmenden Gebrauchseigenschaften optimieren. Glas besitzt eine hohe Materialsteifigkeit, und Polycarbonat zeichnet sich durch eine hohe Schlagzähigkeit bei niedrigem Gewicht aus. Die Verbundtafeln bieten im Vergleich zu konventionellen Verbundsicherheitsgläsern eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen äußere Angriffe bei schlankeren Querschnitten und niedrigerem Eigengewicht.

Eine Verwendung als Horizontalverglasung ist in Deutschland allerdings nur möglich, wenn die Anforderungen an Verbundsicherheitsglas erfüllt werden. Die Berechnung der Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln erfordert zudem die genaue Kenntnis der Materialeigenschaften und deren Zusammenwirken im Mehrschichtensystem. Neben dem Tragverhalten ist bei einer Verglasung auch die Resttragfähigkeit von besonderer Bedeutung. Die Ergebnisse bilden die Grundlage für ein geeignetes Bemessungsverfahren der Verbundtafeln.

Die vorliegende Arbeit beschreibt die typischen Eigenschaften von Sicherheitsglas und das Anwendungspotential der Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln als Sicherheitssonderverglasung. Anschließend werden die physikalischen und mechanischen Eigenschaften der verwendeten Materialien Glas und Polycarbonat sowie der Zwischenschicht aus Polyurethan definiert. Insbesondere werden die Abhängigkeit der beiden Polymerwerkstoffe von der Temperatur und dem Verlauf der Beanspruchung umfassend untersucht und daraus Modifikationsbeiwerte abgeleitet.

Die Einstufung der Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln als Verbundsicherheitsglas erfordert den Nachweis der Beständigkeit der Zwischenschicht gegen klimatische und mechanische Beanspruchungen. Die klimatische Beständigkeit wird durch Versuche unter hoher Temperatur, in der Feuchte und unter Bestrahlung experimentell nachgewiesen. Die mechanische Beständigkeitsprüfung erfolgt durch den Kugelfallversuch und den Pendelschlagversuch.

Mit dem Vierpunkt-Biegeversuch wird das Tragverhalten der Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln grundlegend in Kurz- und Langzeitversuchen untersucht und das Zusammenwirken der einzelnen Materialien im Mehrschichtensystem analysiert. Die Versuche werden anschließend für die Untersuchung des Resttragverhaltens mit teilzerstörten und zerstörten Systemen wiederholt. Die Ergebnisse liefern elementar Kenntnisse über die Funktionsweise der Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln unter Biegebeanspruchung, insbesondere für den Ansatz einer Verbundwirkung der Zwischenschicht.

Zur analytischen Berechnung der im Vierpunkt-Biegeversuch untersuchten Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln wird die Sandwichtheorie auf einen dreischichtigen Aufbau erweitert. Zusätzlich erfolgt eine numerische Berechnung. Geometrisch nichtlineare Betrachtungen des Mehrschichtensystems an vierseitig linienförmig gelagerten Platten ergänzen die Untersuchungen. Die Ergebnisse der beiden Tragsysteme werden mit den experimentellen Werten verglichen und die Qualität der Berechnungsmethoden beurteilt. Abschließend werden Bemessungsempfehlungen nach dem semi-probabilistischen Sicherheitskonzept formuliert und an einem Anwendungsbeispiel vorgestellt.

1 Einleitung
1.1 Aufgabenstellung

Architektur wird durch die verwendeten Baustoffe materialisiert. Diese können durch einen gezielten Einsatz die Form und Struktur eines Bauwerkes beeinflussen. Der Anspruch einer gestalterisch und funktional befriedigenden Lösung der gestellten Aufgabe ist daher auch von der Auswahl geeigneter Baustoffe abhängig. Diese unterliegen wie die Gesamtheit eines Bauwerkes den vier wesentlichen Herausforderungen des Bauens, die durch den Anwendungszweck, die tragende Funktion, die ästhetischen Belange und die wirtschaftlichen Beschränkungen definiert sind.1

Alle vier Anforderungen können häufig nicht oder nur unzureichend von einem Baustoff gleichwertig erfüllt werden. Deshalb werden zwei oder mehrere Materialien mit unterschiedlichen Eigenschaften zu einem Verbundbaustoff kombiniert. Die Unterscheidung der einzelnen Materialien kann dabei durch die Art der Eigenschaften, der Beanspruchung oder die Geometrie erfolgen.

Einer der ältesten und bekanntesten Verbundbaustoffe im Bauwesen ist der Stahlbeton. Die Funktionsweise wird durch den Verbund zwischen Beton und dem eingelegten Bewehrungsstahl bestimmt. Dabei ist der Bewehrungsstahl nur lokal in den statisch oder konstruktiv erforderlichen Bereichen in den Beton eingelegt.

Der spröde aber druckfeste Beton nimmt die Druckkräfte auf, während dem duktilen Stahl die Abtragung der Zugkräfte zugewiesen wird. Die Kombination ermöglicht dadurch eine materialgerechte Zuweisung der Kräfte innerhalb eines Bauteils. Zusätzlich wird der Stahl bei ausreichender Betondeckung vor Korrosion geschützt.

Neben den konstruktiven Anforderungen erfüllt der Stahlbeton durch die Möglichkeit der freien Formgebung auch gestalterische Aspekte. Die einzelnen Bauteile können dem Anwendungszweck individuell angepasst werden.

Die Kosten pro Volumeneinheit für den Bewehrungsstahl liegen durchschnittlich ungefähr um den Faktor 120 höher als für Beton.2 Der Anteil des Bewehrungsstahls am Gesamtvolumen des Bauteils ist allerdings relativ gering. Der Bewehrungsgrad beträgt bei biegebeanspruchten Anwendungen im Stahlbeton maximal 0,5 %. Dadurch ist unter Beachtung einer effizienten Ausnutzung ein wirtschaftlicher Einsatz der beiden Materialien im Verbundbaustoff möglich.

Das Beispiel zeigt, dass sich durch die gezielte Kombination von mindestens zwei unterschiedlichen Materialien zu einem Verbundbaustoff neue Gebrauchseigenschaften erzielen beziehungsweise bereits vorhandene optimieren lassen, die von einem Material nicht erreicht werden.

Eine weitere Möglichkeit, aus unterschiedlichen Materialien ein Verbundbaustoff zu erzeugen, ist durch Mehrschichtensysteme beziehungsweise Sandwichkonstruktionen gegeben. Die Mehrschichtensysteme bestehen im Allgemeinen aus zwei äußeren Deckschichten und einem inneren Kern. Die dünnen Deckschichten besitzen eine hohe Dehnsteifigkeit und werden durch den Kern verbunden. Es entsteht eine Verbundtragwirkung, die von der Steifigkeit des Kerns abhängt und die Übertragung der Schubkräfte ermöglicht.3

Im Glasbau wird das Prinzip der Mehrschichtensysteme auf Verbundgläser (VG) übertragen. Die Verbundgläser setzen sich aus mindestens zwei Glastafeln und einer entsprechenden Anzahl an Zwischenschichten zusammen. Alternativ zu Glas dürfen auch Kunststofftafeln, beispielsweise Polycarbonat (PC) oder Polymethylmethacrylat (PMMA), verwendet werden.4

Die Zwischenschichten bestehen allgemein aus einem organischen oder anorganischen Polymer und stellen hauptsächlich den Verbund zwischen den einzelnen Tafeln sicher. Zusätzlich können durch die Zwischenschicht weitere Funktionen und Eigenschaften mit der Verglasung erreicht werden, die monolithische Glastafeln nicht leisten.

Die wesentlichen Anwendungen von Verbundglas im Bauwesen sind Brandschutzverglasungen5, Schallschutzverglasungen6 und Verbund-Sicherheitsverglasungen7.

Einen besonderen Bereich der Verbundgläser stellen die Sicherheitssonderverglasungen dar, die Personen und Gegenstände gegen äußere Einwirkungen von Gewalt schützen sollen. Die Sicherheitssonderverglasungen, auch als angriffhemmende Verglasungen bezeichnet, werden in Verglasungen mit Widerstand gegen manuellen Angriff, gegen Beschuss und gegen Sprengwirkung unterschieden und in entsprechende Widerstandsklassen eingeteilt.8 Konventionelle Sicherheitssonderverglasungen bestehen aus einem mit mehreren Glastafeln zusammengesetzten Verbund-Sicherheitsglas. In Abhängigkeit der Widerstandsklasse können relativ dicke Querschnitte und ein hohes Eigengewicht entstehen.

Professor Dr. Weimar an der Universität Siegen

Zur Optimierung der für angriffhemmende Verglasungen geforderten Gebrauchseigenschaften wurde ein Verbundbaustoff aus den beiden Materialien Glas und Polycarbonat entwickelt. Glas besitzt eine hohe Materialsteifigkeit und Polycarbonat zeichnet sich durch eine hohe Schlagzähigkeit bei niedriger Dichte aus. Die Materialkombination bietet eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen äußere Angriffe bei schlanken Querschnitten und niedrigem Eigengewicht.9

Der Einsatz der Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln im Bauwesen beschränkt sich gegenwärtig auf vertikale angriffhemmende Verglasungen. Eine Anwendung als Überkopfverglasung ist mit zusätzlichen Anforderungen verbunden. Neben einer ausreichenden Tragfähigkeit wird auch eine ausreichende Resttragfähigkeit und Splitterbindung bei Glasbruch gefordert, um eine Gefährdung von Personen zu verhindern. In Deutschland gelten Verglasung bereits ab einer Neigung von größer 10° gegen die Vertikale als Überkopf­verglasungen.10

Zur Gewährleistung dieser sicherheitsrelevanten Aspekte ist Verbund-Sicherheitsglas vorgeschrieben. Nach europäischen Normen dürfen Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln als Verbund-Sicherheitsglas eingestuft werden, sofern die definierten Anforderungen zum Verbund und zur Beanspruchbarkeit erfüllt sind.11

In Deutschland werden allerdings nationale Einschränkungen zu den verwendbaren Bestandteilen von Verbund-Sicherheitsglas gemacht. Zugelassen sind ausschließlich baurechtlich eingeführte Glaserzeugnisse mit Folien aus Polyvinyl- Butyral als Zwischenschicht. Eine Verwendung von Verglasungsmaterialien aus Kunststoff, wie beispielsweise Polycarbonat, sowie andere Zwischenschichtmaterialien ist nicht vorgesehen.

Nach den nationalen Regelungen werden Verbundtafeln aus Glas und Polycarbonat mit einer Zwischenschicht aus Polyurethan (PUR) damit als Verbundglas definiert. Eine Einstufung als Verbund-Sicherheitsglas ist ausschließlich über eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) oder eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) möglich.12

Die Anwendung von Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln kann als Überkopfverglasung nur in Kombination mit konventionellem Verbund-Sicherheitsglas realisiert werden. Dies führt zu wesentlich dickeren Querschnittsaufbauten als beim eigentlichen Nachweis im Grenzzustand der Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit der Verglasung erforderlich ist. Die Ausnutzung des technologischen Vorteils des Verbundbaustoffs ist dadurch nur eingeschränkt möglich.

2. SICHERHEITSVERGLASUNGEN
2.1 GRUNDLAGEN

Die Vermeidung von Verletzungen an Personen bei Glasbruch wird allgemein als passive Sicherheit von Verglasungen bezeichnet. Diese Anforderung erfüllen Sicherheitsgläser, die die Minderung der Verletzungsgefahr durch Krümelbildung oder Splitterbindung erreichen. Im Bauwesen wird in Abhängigkeit von Aufbau und Nutzung der Verglasung entweder Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG) oder Verbund-Sicherheitsglas (VSG) verwendet.21

2.2 Anforderungen
2.2.1 Widerstand gegen manuellen Angriff

Sicherheitssonderverglasungen mit Widerstand gegen manuellen Angriff werden in Verglasungen mit durchwurfhemmenden und durchbruchhemmenden Eigenschaften unterteilt.40 Die Durchwurfhemmung einer Verglasung wird durch eine Fallprüfung mit einer Kugel aus Stahl nachgewiesen. Die Kugel hat einen Durchmesser von 100 mm und eine Masse von 4,11 kg. In Abhängigkeit der erforderlichen Widerstandsklasse wird die Kugel aus Höhen von 1.500 mm bis 9.000 mm dreimal auf den Prüfkörper fallengelassen. Das Trefferbild sollte um die geometrische Mitte des Prüfkörpers ein gleichseitiges Dreieck mit der Seitenlänge von 130 mm bilden. Das Prüfverfahren wird für Verglasungen der Widerstandsklasse P5A mit jedem Prüfkörper dreimal ausgeführt. Die Kugel darf den Prüfkörper nicht durchschlagen und von den Auflagern abrutschen.

Durchbruchhemmende Verglasungen werden durch die Prüfung mit der Axt nachgewiesen. Die Widerstandsklasse ist abhängig von der Anzahl an Schlägen mit einer maschinell geführten 2 kg schweren Axt auf den Prüfkörper, bevor eine quadratische Öffnung von 400 mm x 400 mm entsteht. Der Prüfkörper wird vor Anwendung der Axt entlang der quadratischen Öffnung durch mindestens 12 Hammerschläge zerstört. Anschließend erfolgen die Schläge mit der Axt in gleicher Reihenfolge. Die Anzahl der Schläge bis zum Durchschlagen des Prüfkörpers an der entsprechenden Stelle werden gezählt. Danach wird der Prüfkörper um die Länge des entstandenen Schlitzes versetzt und das Verfahren wiederholt. Das Versagen des Prüfkörpers tritt ein, wenn sich die quadratische Fläche vollkommen vom Rest der Verglasung löst oder trotz einer noch teilweisen Verbindung durch sein Eigengewicht herunterklappt. Die Anzahl der Hammer- und Axtschläge bis zum Versagen des Prüfkörpers werden gezählt. Der Prüfkörper darf während der Prüfung nicht von den Auflagern rutschen. Alle drei Prüfkörper müssen der Mindestanzahl an Schlägen für die entsprechende Widerstandsklasse widerstehen.

Widerstandskl.FallhöheGesamtanzahl an Schlägen
P1A1.500 mm3 in einem Dreieck (Kugel)
P2A3.000 mm3 in einem Dreieck (Kugel)
P3A6.000 mm3 in einem Dreieck (Kugel)
P4A9.000 mm3 in einem Dreieck (Kugel)
P5A9.000 mm3 x 3 in einem Dreieck (Kugel)
P6B30 bis 50 (Axt)
P7B51 bis 70 (Axt)
P8Büber 70 (Axt)

Klasseneinteilung von Sicherheitssonderverglasungen mit Widerstand gegen manuellen Angriff nach DIN EN 356

Die Prüfkörper haben für beide Prüfverfahren eine Abmessung von 900 mm x 1.100 mm. Die Halteeinrichtung für die Prüfkörper sieht eine planparallele Einspannung als vierseitige linienförmige Lagerung vor. Eine Prüfung der tatsächlich eingebauten Glaskonstruktionen ist nicht vorgesehen. Es ist daher zu beachten, dass der Rahmen der Sicherheitssonderverglasung einen ausreichenden Widerstand gegen die Angriffe bietet. Die beiden Prüfverfahren besitzen daher nur eine vergleichende Qualität von verschiedenen Verglasungsaufbauten unter gleichen Randbedingungen.

Die VdS Schadenverhütung GmbH gibt eine eigene Richtlinie mit Anforderungen und Prüfverfahren für durchbruchhemmende Verglasungen aus41. Der Widerstand der Verglasung wird mit dem oben beschriebenen Prüfverfahren über die erreichte Mindestanzahl an Axtschlägen nachgewiesen. Der modifizierte Prüfaufbau führt allerdings zu höheren Anforderungen an den Prüfkörper. Die Widerstandsklassen werden in Abhängigkeit von der bestandenen Gesamtanzahl an Schlägen mit EH 1, EH 2 und EH 3 bezeichnet.

2.2.2 WIDERSTAND GEGEN BESCHUSS

Sicherheitssonderverglasungen mit Widerstand gegen Beschuss sind Verglasungen, die einen definierten Widerstand gegen das Durchdringen von Geschossen bestimmter Munitionsarten aus bestimmten Waffen aufweisen.42 Die Einteilung in die einzelnen Widerstandsklassen erfolgt für Faustfeuerwaffen und Büchsen von BR 1 bis BR 7 sowie für Schrotflinten von SG 1 bis SG 2. Es werden die Kaliber der Waffen, die Munition, die Schussentfernung sowie die Auftreffgeschwindigkeit des Geschosses festgelegt. Die drei Treffer auf jedem der drei erforderlichen Prüfkörper bilden um den Mittelpunkt ein dreiseitiges Dreieck mit einer Seitenlänge von 120 mm beziehungsweise 125 mm. In einem rückseitigen Kasten der Halteeinrichtung werden die abgegangenen Glassplitter gesammelt. Die Geschosse oder deren Teile dürfen die Verglasungen nicht durchdringen.

Zur Beurteilung des Verletzungsrisikos von der Rückseite der beschusshemmenden Verglasung wird ein Splitterindikator aus einer Aluminiumfolie hinter den Prüfkörper angeordnet. Ein Durchdringen des Splitterindikators durch Glassplitter führt zur Einteilung des Prüfkörpers in eine Verglasung mit Splitterabgang (S). Ist der Splitterindikator nach der Prüfung nicht perforiert, wird der Prüfkörper als Verglasung ohne Splitterabgang (NS) gekennzeichnet. Die Prüfkörper haben eine Abmessung von 500 mm x 500 mm und werden durch eine vierseitig linienförmige Lagerung in die Haltekonstruktion eingespannt. Auch dieses Prüfverfahren besitzt nur eine vergleichende Qualität von verschiedenen Verglasungsaufbauten unter gleichen Randbedingungen, da keine Prüfung der tatsächlich eingebauten Glaskonstruktion erfolgt. Der Rahmen der beschusshemmenden Verglasung muss für die Einwirkungen ausreichend dimensioniert sein.

2.2.3 Widerstand gegen SPRENGWIRKUNG

Sprengwirkungshemmende Verglasungen sollen Personen vor Explosionsdruckwellen schützen und werden als Sicherheitssonderverglasungen mit Widerstand gegen Sprengwirkung bezeichnet.43 Die Einteilung der sprengwirkungshemmenden Verglasung basiert auf dem maximalen positiven Druck der reflektierten Druckwelle sowie der Dauer der positiven Druckphase und erfolgt in die Widerstandsklassen ER 1 bis ER 4. Die Prüfkörper werden durch eine orthogonal auf die Angriffsseite der Verglasung auftretende ebene Druckwelle beansprucht. Anschließend wird die Größe und der zeitliche Verlauf des positiven Drucks der von der Angriffsseite des Prüfkörpers reflektierten Druckwelle gemessen und mit den Angaben zur Klassifizierung verglichen. Die Einrichtung zur Simulation des Druckstoßes einer Freilandsprengung entspricht üblicherweise einem Stoßrohr. Die Prüfkörper dürfen keine durchgehenden Öffnungen von der vorderen bis zur hinteren Seite sowie zwischen dem Einspannrahmen und den Kanten der Verglasung aufweisen.

Sprengwirkungshemmende Verglasungen können in Abhängigkeit von einer auftretenden Splitterwirkung mit dem Zusatz mit Splitterabgang (S) oder ohne Splitterabgang (NS) gekennzeichnet werden. Die Prüfkörper haben eine Abmessung von 900 mm x 1.100 mm und werden durch eine vierseitig linienförmige Lagerung in die Haltekonstruktion eingespannt. Die Ergebnisse der Prüfung sind grundsätzlich nur für die untersuchten Prüfkörper gültig, dürfen aber auf Grundlage theoretischer beziehungsweise experimenteller Erfahrungen für Aussagen über die Sprengwirkungshemmung anderer Abmessungen der Verglasung verwendet werden.

2.3 Glas-Polycarbonat-Verbund

Eine konventionelle Ausführung von Sicherheitssonderverglasungen besteht aus einem mit mehreren Glastafeln zusammengesetztes Verbund-Sicherheitsglas. In Abhängigkeit der Widerstandsklasse können bei diesen Verbund-Sicherheitsgläsern relativ dicke Querschnitte mit einem hohen Eigengewicht entstehen. Dies führt zu aufwendigen Rahmenund Auflagerkonstruktionen. Der nachträgliche Einbau in Bestandsgebäude und die Weiterverarbeitung zu Mehrscheiben-Isolierverglasungen gestaltet sich problematisch.

Zur Optimierung der für angriffhemmende Verglasungen geforderten Gebrauchseigenschaften wurde ein Verbundbaustoff aus den beiden Materialien Glas und Polycarbonat (PC) entwickelt. Glas besitzt eine hohe Materialsteifigkeit. Polycarbonat zeichnet sich durch eine hohe Schlagzähigkeit bei einem niedrigen Eigengewicht aus. Dieser Materialverbund bietet eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen äußere Angriffe bei schlanken Querschnitten mit niedrigem Eigengewicht.

EigenschaftKalk-NatronsilicatglasPolycarbonat
Dichte2.500 kg/m³1.200 kg/m³
Elastizitätsmodul70.000 N/mm²2.300 N/mm²
Mohs Härte5 bis 62 bis 3
Charpy Kerbschlagzähigkeit35 kJ/m²

Vergleich ausgewählter Materialkenndaten von Kalk-Natronsilicatglas DIN EN 572-1 und Polycarbonat Lexan 2011

In Abhängigkeit des Herstellers weisen Glas-Verbunde für eine Sicherheits­­sonder­verglasung mit Widerstand gegen manuellen Angriff der höchsten Widerstandsklasse P8B (EH 3) eine Dicke von 36 mm und ein Flächengewicht von 76 kg/m² auf. Eine angriffhemmende Verglasung aus Glas-Polycarbonat-Verbund ist bei gleicher oder verbesserter Funktionalität um 33 % schlanker und 50 % leichter, allerdings im Vergleich zu konventionellen Sicherheits­sonder­verglasungen in Abhängigkeit der Widerstandsklasse um etwa 30 % bis 60 % teurer.44

Sicherheitssonderverglasungen aus Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln bestehen aus mindestens zwei Glastafeln und einer oder mehreren Polycarbonattafeln. Der flächige Verbund der einzelnen Tafeln wird mit einem transparenten Polyurethan (PUR) hergestellt. Eine Verwendung von Polyvinyl-Butyral als Zwischenschicht in Glas-Polycarbonat-Verbunden ist wegen der enthaltenen Weichmacher nicht möglich, da diese in das Polycarbonat diffundieren können und dessen Eigenschaften ungünstig verändern. Die Zwischenschicht aus Polyurethan kann aus Folien bestehen oder im Gießharzverfahren eingebracht werden.

Die Herstellung der Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln mit Folien erfolgt analog zu Verbund-Sicherheitsglas. In einem klimatisierten Reinraum mit einer Temperatur von +17 °C und einer relativen Luftfeuchte von 25 % werden die Folien zwischen die einzelnen Tafeln eingelegt. Eine Folienlage hat eine Nenndicke von 0,38 mm und wird entsprechend der erforderlichen Dicken der Zwischenschicht in ein oder mehreren Lagen verarbeitet.

Im nachfolgenden Vorverbund der Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln wird eingeschlossene Luft zwischen der Folie und der Tafeloberfläche entfernt. Zusätzlich soll eine Trennung der Tafeln sowie das Eindringen von Luft während der nachfolgenden Verarbeitungsprozesse vermieden werden. Der Vorverbund erfolgt üblicherweise mit dem Vakuumverfahren bei einer Temperatur von ungefähr 100 °C und einem Unterdruck von mindestens 0,1 bar.

In einem Autoklav wird anschließend bei einer Temperatur von 140 °C und einem Überdruck von 12 bar zwischen den Tafeln und den Zwischenschichten ein dauerhafter Verbund hergestellt. Das Verfahren erlaubt die Herstellung von Verglasungen mit der maximalen Abmessung von 1.500 mm x 2.000 mm.

Der Vorteil des Verfahrens liegt in den weitgehend automatisierten Abläufen durch Nutzung einer Anlage zur Herstellung von Verbund-Sicherheitsgläsern. Dadurch können in kurzer Zeit hohe Stückzahlen relativ kostengünstig hergestellt werden. Ein Nachteil stellt die erhebliche Differenz der Temperatur während des Verbundprozesses und der späteren Nutzung dar. Dies führt durch die unterschiedlichen Temperaturausdehnungen von Glas und Polycarbonat zu einer dauerhaften Zwangsbeanspruchung der Zwischenschicht und reduziert dadurch die Beanspruchbarkeit.

Im Gießharzverfahren wird zwischen die einzelnen Tafeln ein flüssiges mehrkomponentiges Polyurethan eingefüllt. Dazu wird am Rand der untersten Tafel ein umlaufendes Band aus Butyl verlegt. Das Band schließt das Volumen zwischen zwei Tafeln und stellt die gewünschte Dicke der Zwischenschicht ein.

Anschließend wird die Einlaufhülse in die Mitte von einer der beiden längeren Seiten angeordnet. Die Auslaufhülsen liegen seitlich und gegenüber der Einlasshülse und an den Ecken der Verglasung. Die nächste Tafel wird aufgelegt und die einzelnen Schritte bis zum vollständigen Aufbau der Glas-Polycarbonat-Verbundtafel wiederholt. Das flüssige Polyurethan wird dann unter einem konstanten Druck von 10 bar in die Zwischenräume der horizontal gelagerten Verglasung eingefüllt.

Hohe Sicherheit durch Silatec Glas

Nach dem Einfüllvorgang werden die Hülsen verschlossen. Die chemische Reaktion zur Vernetzung des mehrkomponentigen Polyurethans erfolgt innerhalb von 24 h durch einen beigefügten Härter unter Raumtemperatur ohne den zusätzlichen Einfluss von Bestrahlung oder Feuchtigkeit. Die Hülsen werden danach entfernt und die Hohlräume mit einem Silikon versiegelt. Mit dem Verfahren sind maximale Abmessungen der Verglasung von 2.500 mm x 6.000 mm möglich.

Das Verfahren mit Gießharzen ist im Vergleich zu Folien aufwendiger, da keine automatisierten Abläufe existieren. Allerdings können individuelle Anforderungen einfacher berücksichtigt und ein- oder zweiaxial gekrümmte Verglasungen hergestellt werden. Ein weiterer Vorteil ist der Verbundprozess unter Raumtemperatur, da keine Zwangs­beanspruchungen in der Zwischenschicht entstehen.

Die häufigste Anwendung von Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln im Bauwesen ist der Einsatz in Sicherheitssonderverglasungen mit Widerstand gegen manuellen Angriff. Die Verbundtafeln können dabei als Einfachverglasung verwendet oder zu Mehrscheiben-Isolierverglasungen weiterverarbeitet werden. Der Nachweis der Durchwurfhemmung beziehungsweise der Durchbruchhemmung einer Verglasung erfolgt für einen festgelegten Mindestquerschnittsaufbau mit dem entsprechenden Prüfverfahren der erforderlichen Widerstandsklasse.

Widerstands­klasseMindest­querschnitts­aufbau
P6B (EH 1)SPG / PUR / PC / PUR / SPG
4 mm / 2 mm / 4 mm / 2 mm / 4 mm
P7B (EH 2)VSG aus SPG / PUR / PC / PUR / VSG aus SPG
2 x 3 mm / 2 mm / 6 mm / 2 mm / 2 x 3 mm
P8B (EH 3)SPG / PUR / PC / PUR / PC / PUR / SPG
4 mm / 2 mm / 5 mm / 2 mm / 5 mm / 2 mm / 4 mm

Mindestquerschnittsaufbau von Sicherheitssonderverglasungen mit nachgewiesenem Widerstand gegen manuellen Angriff nach DIN EN 356 und VdS 2163

Diese Mindestquerschnittsaufbauten dürfen für Sicherheits­sonderverglasungen mit Widerstand gegen manuellen Angriff noch nachträglich modifiziert werden.45 Es können zusätzliche Glas- oder Polycarbonattafeln angeordnet oder die Dicke der äußeren Tafeln erhöht werden. Dadurch besteht die Möglichkeit, den für die dynamischen Einwirkungen experimentell nachgewiesenen Mindest­querschnitts­aufbau für eine bestimmte Widerstandsklasse an die statischen Einwirkungen anzupassen.

Die grundsätzliche Trennung der resultierenden Beanspruchungen in einen dynamischen und einen statischen Anteil bei der Dimensionierung der Verglasung erlaubt den wirtschaftlichen und effizienten Einsatz der verwendeten Materialien. Die Querschnittsaufbauten für beschusshemmende und sprengwirkungshemmende Verglasungen werden vor der Prüfung vom Hersteller für die entsprechende Widerstandsklasse festgelegt und dürfen nachträglich nicht mehr verändert werden.

In den USA werden Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln häufig auch als Verglasung mit besonderem Widerstand gegen die Einwirkungen von Wirbelstürmen, als sogenannte Hurrikan-Verglasung, eingesetzt. Die Verglasungen müssen den extrem hohen Windlasten während des Sturms standhalten und zusätzlich Personen in Gebäuden gegen herumfliegende Gegenstände schützen. Der Nachweis erfolgt mit experimentellen Prüfverfahren.46 In Hurrikan gefährdeten Gebieten, wie beispielsweise Florida, bestehen auch regionale Bestimmungen.47

2.4 Anwendungsbeispiele

Das Reichstagsgebäude in Berlin wurde nach den Plänen des Architekten Paul Wallot in den Jahren von 1884 bis 1894 errichtet und von 1995 bis 1999 von nach dem Entwurf der Architekten von Foster + Partners grundlegend saniert und umgestaltet. Die Eingänge des Gebäudes mit einer Durchgangshöhe von bis zu 4,0 m sind mit automatischen Schiebetüranlagen aus Glas versehen.

Die Sicherheitsanforderungen legen den Einsatz einer angriffhemmenden Verglasung fest, deren Eigengewicht für die einwandfreie Funktion der Türanlage beschränkt ist. Aus diesem Grund erfolgte die Ausführung der Verglasung mit Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln, die im Vergleich zu herkömmlichen Sicherheits­verglasungen aus Glas beide Anforderungen erfüllen.

Innovatives Silatec Glas für den Reichstag in Berlin

Eingangsbereich des Reichstagsgebäudes in Berlin mit Schiebetüranlagen aus Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln

Die Gemäldegalerie in Dresden wurde in den Jahren von 1847 bis 1854 nach den Plänen des Architekten Gottfried Semper gebaut und von 1988 bis 1992 umfassend saniert. Die Sanierung des Gebäudes beinhaltete auch die Erneuerung der Fenster nach historischen Vorgaben. Die Rahmen der Fenster erlaubten deshalb nur dünne Verglasungen, die zusätzlich die aktuellen Sicherheitsanforderungen für ein modernes Museum erfüllen mussten. Diese beiden Anforderungen konnten durch den Einsatz von Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln als Sicherheits­sonderverglasung mit Widerstand gegen manuellen Angriff realisiert werden.

Historische Fenster der Gemäldegalerie in Dresden mit Sicherheitssonderverglasung aus Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln

Das Kunstmuseum in Basel wurde von den beiden Architekten Rudolf Christ und Paul Bonatz in den Jahren von 1932 bis 1936 ausgeführt. Im Rahmen einer umfangreichen Sanierung des Gebäudes von 1991 bis 2001 wurden die Lichtdecken zur Beleuchtung der Ausstellungsräume mit Tageslicht erneuert.

Die Verglasung der Lichtdecke wurde mit einer Sicherheits­sonder­verglasung aus Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln ausgeführt. Zusätzlich waren die Anforderungen einer Überkopfverglasung mit entsprechender Splitterbindung und Resttragfähigkeit bei Glasbruch zu erfüllen. Die Konstruktion und Ausführung der Lichtdecke erfolgte in Anlehnung an die deutschen und europäischen technischen Baubestimmungen, da in der Schweiz keine entsprechenden Bestimmungen für den Glasbau existieren.48 Dies machte die zusätzliche Anordnung eines Verbund-Sicherheitsglases erforderlich, da für die Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln derzeit nur eine Einstufung als Verbundglas möglich ist.

Verglasung von einem Bürogebäude in Rellingen mit einer Neigung von 30° gegen die Vertikale
© Klaus Frahm, Architektur Photographie, Börnsen

In einem Privathaus in Berlin waren neben einem hohen gestalterischen Anspruch auch erhöhte Anforderungen an die Sicherheit gestellt. Die Fenster wurden mit Sicherheitssonderverglasungen aus Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln versehen und wiesen teilweise eine Neigung von mehr als 10° gegenüber der Vertikalen auf. Die Ausführung der Sicherheitssonderverglasung erfolgte als Mehrscheiben-Isolierglas (MIG).

Nach den aktuellen technischen Baubestimmungen werden diese Verglasungen bereits als Überkopfverglasung definiert und dürfen nur in Verbindung mit einem Verbund-Sicherheitsglas realisiert werden.49 Im Bild wird beispielhaft die geneigte Fassade des Bürogebäudes der Tobias Grau GmbH in Rellingen gezeigt. Die Verglasung der Fassade weist eine Neigung von 30° gegenüber der Vertikalen auf und muss damit aus Verbund-Sicherheitsglas bestehen. Die Darstellung der geneigten Verglasung des Privathauses in Berlin ist aus sicherheitsrelevanten Gründen nicht möglich.

Die zusätzliche Anordnung eines Verbund-Sicherheitsglases führt bei der betrachteten Verglasung des Privathauses in Berlin zu einem 10 mm breiteren Aufbau. Die Verglasung wird dadurch ungefähr 30 % schwerer und der Vorteil der Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln im Vergleich zu herkömmlichen Sicherheitssonderverglasungen aus Glas entscheidend vermindert.

Die vier realisierten Anwendungsbeispiele zeigen die konstruktiven Vorteile von Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln als Sicherheitssonderverglasung im Bauwesen. Das geringere Eigengewicht und die dünneren Aufbauten der Verglasung im Vergleich zu üblichen angriffhemmenden Verglasungen aus Glas ermöglichen größere Formate, einen einfacheren Einbau in Bestandsgebäude und eine vorteilhafte Weiterverarbeitung zu Mehrscheiben-Isolierverglasungen. Eine Verwendung im Überkopfbereich ist derzeit nicht möglich, da Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln in Deutschland nur als Verbundglas eingestuft werden. Die zusätzliche Anordnung von Verbund-Sicherheitsglas aus Spiegelglas oder teilvorgespanntem Glas mit Zwischenfolien aus Polyvinyl-Butyral ist erforderlich. Dies führt zu einer Einschränkung der günstigen Gebrauchseigenschaften von Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln.

Einen weiteren bedeutenden Markt für Anwendungen von Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln stellt der Bereich Automotive dar. Der funktionale Vorteil der hohen Schlagzähigkeit in Verbindung mit dem niedrigen Eigengewicht wird vor allem in der Luft- und Raumfahrt und dem Automobilbau genutzt. Aber auch im Bahn- und Schiffsbau werden die Verbundtafeln für Verglasungen mit besonders hohen Beanspruchungen eingesetzt.

Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln im Automotive Bereich

FUSSNOTEN

1
Vergleiche hierzu Torroja 1961, Seite 14 ff.
2
Der durchschnittliche Marktpreis mit Stand vom 01.08.2011 beträgt für Beton C30/37 ungefähr 140 €/m³ und für Bewehrungsstahl BSt 500 S ungefähr 2.150 €/t.
3
Vergleiche hierzu Stamm 1974, Seite 1 und Altenbach 1996, Seite 1 ff.
4
Vergleiche hierzu DIN EN ISO 12543-1, 3.1
5
Brandschutzverglasungen der Klasse EI nach DIN EN 13501-2 sind als Verbundglas aus mindestens zwei Glastafeln und einer oder mehreren Brandschutzschichten aufgebaut. Die Brandschutzschicht besteht üblicherweise aus Bor-Aluminiumphosphat oder Alkalisilikat und wird als transparentes Kolloid im Gießharzverfahren zwischen die Glastafeln eingebracht. Die der Brandeinwirkung zugewandte Glastafel zerspringt unter Hitze und der Durchtritt von Feuer, Rauch und Wärmestrahlung wird für einen bestimmten Zeitraum durch das Aufschäumen der Brandschutzschicht verhindert. Die Dauer der Schutzwirkung hängt von der Anzahl der Brandschutzschichten ab.
6
Die Schalldämmung von Verglasungen kann durch die Verwendung von Verbundgläsern mit speziellen Gießharzen oder Folien erheblich verbessert werden. Die Zwischenschicht dämpft die Schwingungen der Glastafeln und kann auf die Anforderungen eingestellt werden. Eine weitere Optimierung der Schallschutzeigenschaften ist durch einen unsymmetrischen Aufbau des Verbundglases möglich.
7
Verbund-Sicherheitsglas (VSG) wird nach DIN EN ISO 12543-1 geregelt. Die Zwischenschicht hat neben dem eigentlichen Verbund der Glastafeln zusätzlich bei Glasbruch die Splitterbindung, die Begrenzung der Öffnungsweite, eine ausreichende Resttragfähigkeit und die Vermeidung von Schnitt- und Stichverletzungen zu gewährleisten. Diese Anforderungen sind beispielsweise bei Überkopfverglasungen, begehbaren und bedingt betretbaren Verglasungen sowie absturzsichernden Verglasungen einzuhalten.
8
Die Prüfverfahren und Widerstandsklassen von Sicherheitssonderverglasungen sind für Verglasungen mit Widerstand gegen manuellen Angriff in DIN EN 356, mit Widerstand gegen Beschuss in DIN EN 1063 und mit Widerstand gegen Sprengwirkung in DIN EN 13541 geregelt.
9
Vergleiche hierzu Weller 2008
10
Vergleiche hierzu TRLV und DIN 18008-2
11
Vergleiche hierzu DIN EN ISO 12543-2
21
In DIN 1259-2 werden Begriffe wie beispielsweise Sicherheitsglas, Einscheiben-Sicherheitsglas oder Verbund-Sicherheitsglas sowie weitere Glaserzeugnisse definiert. Erläuterungen zu einzelnen Glasgruppen und Glasarten sind in DIN EN 1259-1 zu finden.
40
Vergleiche hierzu DIN EN ISO 356
41
Die Richtlinie VdS 2163 basiert auf dem Prüfverfahren nach DIN EN 356 und unterscheidet sich durch eine höhere Auftreffenergie der Axt auf den Prüfkörper. Die höhere Beanspruchung resultiert aus dem Austausch des Axtstiels aus Kunststoff durch einen steiferen Axtstiel aus Stahl.
42
Vergleiche hierzu DIN EN 1063
43
Vergleiche hierzu DIN EN 13541
44
Der Preis für eine Sicherheitssonderverglasung aus Glas-Polycarbonat-Verbundtafeln beträgt in Abhängigkeit der Widerstandsklasse ungefähr 400 €/m² bis 900 €/m².
45
Vergleiche hierzu DIN EN 356, 3.2
46
Vergleiche hierzu ASTM E330, ASTM E1886, ASTM E1996
47
Vergleiche hierzu SBCCI SSTD 10, TAS 201-94, TAS 202-94, TAS 203-94
48
Vergleiche hierzu TRLV in Verbindung mit BRL und DIN EN 356
49
Vergleiche hierzu TRLV in Verbindung mit BRL und DIN EN 356